Erfolgsfaktor Vertrauenskultur – Wege zu mehr Büroerfolg
Da stehen sie nun, das Management und die Kaufleute auf der einen Seite, die Projektmitarbeiter auf der anderen. Und sie reden aneinander vorbei, geben an einander nicht zu verstehen und beklagen die dürftigen Projektergebnisse. Projektsitzungen werden zu Foren der Schuldzuweisung, das Berichtswesen weiter perfektioniert und der Sitzungs- und Regulierungsdrang sprengt alle Dimensionen. Das Management erklärt die Mitarbeiter für unwillig und ruft nach Disziplinierung.
Kennen Sie Situationen wie diese? Was geht schief, wo doch immer ausgefeiltere Methoden und Werkzeuge den Projekterfolg sichern sollen? Ein gutes Werkzeug kann nur die Brücke zwischen den Welten schlagen. Die Kunst ist, alle Beteiligten zu bewegen, auch in beide Richtungen über die Brücke zu gehen. Hierbei muss auch nicht Schritt für Schritt vorgeschrieben sein. Eine gute Brücke bietet für die Orientierung und Sicherheit solide Geländer.
Eigentlich wollen doch alle Beteiligten dasselbe. Sicherheit und die Perspektive sich ihrem eigenen Handlungsspielraum nicht zu sehr einschränken zu lassen. Das größte Potenzial hierfür liegt in einer gemeinsamen vertrauensvollen Zusammenarbeit. Büros, die auf einer Vertrauenskultur aufbauen können, sind in der Regel erfolgreich.
Zugegeben, heute dreht sich die Welt schneller. Die Ansprüche an die Veränderungsbereitschaft sind ungleich höher und Verlässliches steht täglich auf dem Prüfstand. Es entsteht ein Klima des zunehmenden Misstrauens, der Unverbindlichkeit und damit auch der Gleichgültigkeit. Mehrere Milliarden Euro werden jährlich sinnlos in Projekten verbrannt, Bau- und Industrieprojekte machen immer häufiger negative Schlagzeilen.
Es ist höchste Zeit den Fokus wieder auf eine Vertrauenskultur zu legen und die Regulierungswut auf den bewährten Grundsatz zu beschränken: „Soweit wie nötig, nicht wie möglich“. Und hier kann das Projektcontrolling exzellent unterstützen. Es gilt die Brücke zu schlagen zwischen der kaufmännischen und technischen Sicht auf die Projekte.
Zuerst ist ein gemeinsames Verständnis für die Ziele und Erfolgsfaktoren herzustellen. Jedem Mitarbeiter ist klar, dass er auch privat nicht mehr ausgeben kann als dauerhaft verlässlich auf sein Konto kommt. Wohl überlegt werden Anschaffungen, Urlaube, Freizeitaktivitäten und der „Luxus“ des persönlichen Lebensstils. Das wirtschaftliche Denken ist breit verankert. Also werfen wir einmal alle Vorurteile und Stereotypen über Bord und überlegen uns, wie wir die Mitarbeiter erreichen.
Mit dieser Fragestellung waren eine Reihe der größten deutschen Ingenieurunternehmen an die wiko Business Academy. Gemeinsam wurde ein Ausbildungsprogramm für Projektleiter im Ingenieurbetrieb entwickelt. Die Steinbeis Hochschule, Berlin konnte für die wissenschaftliche Begleitung und Zertifizierung der Lehrgänge gewonnen werden.
Der Projektleiterlehrgang ist dreistufig mit jeweils einem Präsenztag aufgebaut. Gezielt werden die Mitarbeiter in einer eigenständigen Vorbereitung mit geeigneten Aufgabenstellungen an die Inhalte der Präsenztage herangeführt. Eine Nachbearbeitung sorgt dafür, dass das Erlernte reflektiert und so besser in die Praxis umgesetzt wird. Die Kursdauer ist so angelegt, dass der Teilnehmer den erforderlichen Gesamtaufwand berufsbegleitend ohne große Belastung bewältigen kann. Die Dozenten sind Bauingenieure und langjährig im Planungsbetrieb versierte kaufmännisch ausgebildete Spezialisten.
Im ersten Kursteil kalkulieren die Teilnehmer zum Beispiel ein kleines Ingenieurbüro durch und erleben selbst, warum eine Projektstunde bei einem durchschnittlichen Gehalt doch Kosten von über 100 € verursacht. Die Rahmenbedingungen und Organisationsgrundlagen des Planungsbetriebes und deren Auswirkungen auf die Projektarbeit werden erläutert. Anhand ihres Alltags im Büro und auf der Baustelle wird den Teilnehmern auch vermittelt, warum z.B. Softskills und Sozialkompetenzen oft wichtiger für den Projekterfolg sind als das fachlich tiefe Know-How. Sie lernen wie sie mit Konflikten umgehen und welche Techniken helfen, bei hohen Belastungen die Prioritäten und das Ergebnis nicht aus den Augen zu verlieren.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingen und der Steuerung des Projektes innerhalb des eigenen Büros. Von der Analyse des Vertrages, der hiermit verbundenen Chancen und Risiken, der Arbeitsvorbereitung, dem Projektcontrolling bis zur Abrechnung lernen die Teilnehmer auch anhand vieler Beispiele aus der Praxis wie Projekte erfolgreich geführt werden. Auch einfache Techniken werden vermittelt, zum Beispiel wie wirkungsvoll Projektsitzungen organisiert werden, die ohne große Zeitverluste zum Ziel führen. Ein wichtiger Themenblock sind die Stellschrauben und Einflussmöglichkeiten auf den Projekterfolg. So zum Beispiel auch, wie die Interessen des Büros mit einem wirkungsvollen Nachtragsmanagement auf Augenhöhe mit dem Auftraggeber sichergestellt werden können.
Im dritten Teil liegt der Fokus auf der Realisierung des Projektes und sensibilisiert für die Rolle des Projektleiters als Treuhänder des Auftraggebers. Terminplanung, Qualitätssicherung und Baukostencontrolling sind die Themen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass jeder Projektleiter eine Visitenkarte seines Arbeitgebers ist. Die Teilnehmer erkennen zunehmend ihren Beitrag für den dauerhaften Unternehmenserfolg und damit auch den Zusammenhang für die Sicherheit ihrer eigenen Zukunft.
In den ersten Kursen kam häufig das Feedback der Teilnehmer: „ja wir verstehen das, aber man muss es auch mal unseren Vorgesetzten sagen“. Die Unternehmen hatten in Folge zunehmend auch Führungskräfte in die Kurse geschickt und parallel wurde ein zertifizierter Lehrgang für kaufmännische Mitarbeiter und Controller im Ingenieurbetrieb entwickelt.
Nach knapp drei Jahren und über 450 zertifizierten Absolventen lassen sich nun erste Ergebnisse ableiten. Einige Büros haben bis zu 50 Mitarbeiter ausbilden lassen und berichten über deutliche Impulse zu einer neuen Projekt- und Unternehmenskultur. Es entwickelt sich ein gemeinsames Verständnis und auch die Akzeptanz für Projektmanagement und Controlling ist deutlich gestiegen. Projektleiter wurden zum Beispiel auch für das Change Request- und Claim Management sensibilisiert mit erstaunlichen Folgen für die zeitlichen und finanziellen Projektergebnisse.
Die „Schulbenotung“ aller Teilnehmer liegt im Schnitt bei 1,5. Dies ist insbesondere unter dem Hintergrund, dass zu Kursbeginn eher Skepsis herrscht, ein hervorragendes Feedback.
Ein bemerkenswertes Ergebnis ist auch, dass in einigen Organisationen parallel mit dem Abbau eines „Oversized“ Berichtswesen und Managementsystems begonnen wurde. Dies bedeutet nicht, dass die Transparenz und Steuerungsqualität zurückgefahren wird. Nur wird Unnötiges auf den Prüfstand gestellt, die Akzeptanz für ein einheitliches Controlling und dessen Pflege gefördert und der Nutzen der nun ausgedünnten und mehr auf die Projektleiter ausgerichteten Informationen und Reports erkannt. Die Ansprüche an einen ganzheitlichen Lösungsansatz und damit die Anforderungen an die Qualität der Systeme sind zu Lasten der „gewachsenen Vielfalt“ gestiegen.
Ein immer wiederkehrendes Thema war in diesem Zusammenhang die Kostenstellen- und Profitcenterdominanz. Im Ingenieurwesen beruht der Unternehmenserfolg auf den Projekterfolgen. In der Praxis beherrschen jedoch häufig Abteilungs- und Niederlassungsegoismen das Tagesgeschäft. Der eigene Projektanteil wird optimiert zu Lasten anderer Organisationseinheiten. Auch dies prägt wesentlich eine Unternehmens- und Vertrauenskultur.
Erfolgreich sind die Konzepte, Projektleiter direkt der Büroleitung gegenüber, z.B. repräsentiert durch das Projektcontrolling, für die Projekterfolge verantwortlich zu machen. Dies erfordert jedoch, den Projektleiter von der disziplinarischen Abhängigkeit einer der an dem Projekt beteiligten Fachabteilungen zu entbinden. Die Fachabteilungen stellen dem Projekt die vereinbarten Ressourcen zur Verfügung, für den wirtschaftlichen Einsatz ist allein der Projektleiter verantwortlich. Modelle wie eine reine Matrixorganisation sind hier allerdings nur sehr schwerfällig durchzusetzen, da die etablierte Linie befürchtet an Einfluss zu verlieren. Unternehmen, welche sich in eine solche Richtung entwickeln, verzeichnen hiermit jedoch große Erfolge. Das Projektcontrolling und das Projektmanagement rücken näher zusammen, die Vertrauensbasis zum Management kann deutlich ausgebaut werden.
Fazit: Es lohnt sich in ein gemeinsames Verständnis für eine Projektkultur zu investieren und die Projektbeteiligten in die Optimierung der Steuerungssysteme einzubinden. Hierzu sind jedoch eine hohe Führungsqualität und eine gezielte Mitarbeiterentwicklung notwendig. Der Projektcontroller kann in diesem Prozess eine Schlüsselrolle einnehmen. Von seinem Verständnis für die Projekte, Prozesse und Mitarbeiterführung hängen die Erfolg stark ab. Investieren Sie in die Menschen und nicht nur in die Werkzeuge und „Organisation“.
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